Wenn ich an meine ersten Grattouren zurückdenke, fallen mir zuerst meine weichen und zittrigen Beine ein. Du schaust nach rechts und nach links und es geht einfach runter. Du weißt, hier darfst du keinen Fehler machen. Eigentlich habe ich auch gut trainiert. Aber halt nur körperlich. Doch hier kommt eine komplett neue Facette ins Spiel. Das Training der mentalen Stärke. Bei meinen bisherigen Touren hatte ich noch nie solche Momente. Nach der Tour (Obergabelhorn via kompletter Arbengrat) wird mir klar, ich muss auch meinen Kopf trainieren. Darum soll es heute gehen.

 

Einen Artikel dieser Art habe ich schon einmal geschrieben. Doch soll es heute mehr in die Tiefe gehen. Deswegen sprechen wir heute über die Grundlagen, über ein paar Techniken bis hin zur Anwendung am Berg. Inspiration und viel Wissen für diesen Artikel kommen aus dem Buchen „Mental fit am Berg*“ was ich dir nur empfehlen kann.

 

„Der stärkste Muskel ist der Kopf“

Wolfgang Güllich, Sportkletterer

Warum du deine mentale Stärke trainieren solltest?

Das Training hilft dir bei verschiedenen Aspekten deiner Tour und bildet einen wichtigen Pfeiler zum Gelingen von Touren. Besonders wenn du den Schwierigkeitsgrat deiner Touren erhöhst, wird es immer wichtiger. Speziell kann dir dein Training bei folgenden Punkten helfen:

  • Antriebslosigkeit
  • Störende Gedanken
  • Stress
  • Unsicherheit
  • Mangelndes Selbstvertrauen
  • Übermäßige Erregung
  • Ablenkung
  • Angst
  • Erwartungs- und Erfolgsdruck

Wichtig ist aber auch, dass es kein Allheilmittel ist. Das möchte ich an dieser Stelle nochmal deutlich betonen. Mentales Training ersetzt weder fachspezifisches Wissen noch Können.

 

Was ist der optimale Leistungszustand am Berg?

Ich denke jeder von euch kennt es von seinen Touren. Es gibt Tourentage da fühlt man sich einfach sicher und gut. Da kann man jede Herausforderung nehmen und das vielleicht sogar mit einer gewissen Leichtigkeit. Man kann seine bestmögliche Leistung genau zum passenden Moment abrufen.

 

Wissenschaftlich wird es im Yerkes-Dodson Gesetz beschrieben. Dort werden die Leistung und die Aktivierung gegeneinander gestellt.

 

Ist man z.B. morgens noch müde, so kann die Leistung nie optimal sein. Ist man dagegen zu aufgeregt, im Stress, dann kann man auch nicht die perfekte Leistung abrufen. Irgendwo zwischen diesen Extremen liegt der optimale Leistungszustand und den wollen wir für unsere Touren erreichen. Hier wollen wir Einfluss nehmen durch Einsatz von verschiedenen Techniken.

 

2560px Yerkes dodson gesetz.svg  1024x576 - Mentale Stärke am Berg - Was zählt am Berg?
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Yerkes-Dodson-Gesetz

Techniken für deine mentale Stärke

Prinzipiell gibt es viele verschiedene Techniken zum Training deiner mentalen Stärke. Die meisten davon kennen wir auch oder haben sie zumindest schon mal gehört. So war es auch bei mir, aber angewendet habe ich sie so explizit nicht. Das war nicht besonders schlau von mir. Auch gerade am Anfang. Dass es dir nicht so geht wie mir, möchte ich dir heute die 4 grundlegende Übungen näher vorstellen. Die Vorstellung wird eher oberflächlich sein. Alles andere würde den Rahmen sprengen. Zusätzliche Informationen werde ich für dich suchen und am Ende nochmal verlinken. Auch Übungen werden verlinkt sein. Da jeder an einem anderen Punkt steht gibt es nicht die perfekte Übung. Die gibt es nur immer unter deinen persönlichen Umständen.

 

Die 4 Bereiche der mentalen Einflussbereiche nach Mental fit am Berg

  1. Atmung – Entspannung/Aktivierung
  2. Vorstellung – Situationen/Ziele/Szenarien/Bewegungen
  3. Selbstgespräch – Beeinflussen deiner Gedanken/Gespräche
  4. Aufmerksamkeit – Lenkung unserer Aufmerksamkeit

 

Atmung: Entspannen und Aktivieren

Normalerweise atmen wir automatisch und ohne bewusst daran zu denken. Aber wir können die Atmung auch bewusst steuern und je nach unseren Anforderungen ändern. Der Zusammenhang zwischen unserer Atmung und unserem Befinden ist ziemlich offensichtlich. Wenn wir flach und schnell atmen, so haben wir meistens Angst. Wenn wir hingegen entspannt sind und uns sicher fühlen, atmen wir langsam und tiefer. Den Umstand zur bewussten Steuerung unseres Empfindens wollen wir durch die Atmung nutzen.

 

Einsatzbereiche von Atemübungen

Atemübungen sind für zwei große Bereiche nützlich. Auf der einen Seite zum Entspannen und auf der anderen Seite zum Aktivieren.

 

Entspannen:

  • Abbau von Angst/Stress z.B. nach einer Schlüsselstelle, Ausrutscher etc.
  • Zur Erholung und Regeneration nach langen Touren mit schweren Passagen
  • Zur Vorbereitung des Einschlafens nach anstrengender Tour oder vor einer Tour (z.B. Tourenhighlight Matterhorn)

 

Aktivierung:

  • Zur Steigerung deiner Motivation und zum Erschließen von Kraftreserven (Bei langen Touren, Müdigkeit und Erschöpfung)
  • Zur Steigerung der Konzentration, z.B. bei Ablenkung
  • Als Unterstützung der Aufmerksamkeitslenkung

Atemübungen

 

Vorstellung: Mit allen Sinnen

Beim Vorstellungstraining lassen vor unserem inneren Auge eine Art Film ablaufen. Hier geht man die verschiedenen Situationen z.B. von deiner Tour durch oder die angestrebten Handlungsweisen unter den optimalen Bedingungen. Schon Reinhold Messner meinte, dass man immer in Szenarien denken soll.

 

Einsatzbereiche von Vorstellungsübungen

  • Vorbereitung auf eine Tour: Vorstellung Routenverlauf
  • Durchspielen von schweren Passagen, Situationen und Abbau von Ängsten
  • Steuern der Emotionen
  • Lernen, Festigen und Optimieren von Bewegungsabläufen

Übungen

 

Selbstgespräch: Erkennen und Beeinflussen

Wir sprechen permanent mit uns selbst. Das ist Fakt. Manchmal bekommen wir auch nicht so mit, was wir so mit uns reden. Aus diesem Grund geht es beim Thema Selbstgespräch im ersten Schritt immer um das Erkennen der Selbstgespräche und dann je nach Situation um das Beeinflussen. Hier können wir uns oftmals schon selbst limitieren, aber auf der anderen Seite auch enorm puschen.

 

Einsatzbereiche von Selbstgesprächen

  • Steigerung der Motivation
  • Handlungsanleitung und Selbstinstruktion
  • Vergegenwärtigung der eigenen Fertigkeiten und Aufbau von Selbstvertrauen
  • Abbau von Ängsten und negativen Gefühlen
  • Lenkung unserer Aufmerksamkeit
  • Kritische Situationen rationalisieren

Übungen

 

Aufmerksamkeit: Lenkung und Fokus

Hier geht es darum seine Aufmerksamkeit bewusst auf gewisse Dinge zu lenken. Beim Bergsteigen zum Beispiel auf den nächsten Schritt. Bei mir ist es oft so, dass ich im leichteren Gelände nicht meine Aufmerksamkeit auf dem Gehen habe, sondern meine Gedanken irgendwo sind und ich dann leichter stolpere. Das wollen und müssen wir vermeiden. Das ist ein Ziel der Aufmerksamkeitslenkung

 

Einsatzbereiche von Aufmerksamkeitsübungen

  • Gezielte Konzentration
  • Um die richtige Taktik oder Strategie zu finden
  • Zur Entscheidungsfindung
  • Ausblenden von Störquellen
  • Achtsamkeit erhöhen
  • Bessere Körperwahrnehmung

Übungen

 

Noch ein paar Tipps

Ich möchte dir hier auch gar nicht so sehr sagen was mir hilft. Eins muss einem bewusst sein. Nur weil Dinge mir helfen, muss das bei dir lange nicht so sein. Such dir die Übungen zusammen, die dir für deine Probleme helfen. So kannst du den maximalen Erfolg beim Training bekommen. Analysiere am besten dafür deine Touren und schau was dich vor allem mental herausgefordert hat. Nach dem Problemfeld und der Art, wie es sich bei dir ausgewirkt hat, suchst du dann deine Übungen zusammen.

 

Und jetzt – es liegt an dir

Ich kann dir hier nur raten, das Ganze mal auszuprobieren. Um ein kompletter Bergsteiger zu werden, ist auch die mentale Stärke ein wichtiger Part. Aus meiner Erfahrung kommt irgendwann der Punkt, wo du das Training brauchst. Es ist immer besser vorbereitet zu sein, als überrascht zu werden. Es braucht Übung und Geduld, bis du die Techniken auch bewusst einsetzen kannst. Nimm dir auch hier Zeit. Es ist wie jedes Training ein langfristiger Prozess. Du musst immer dranbleiben. Mehr zu dem Thema findest du wie erwähnt im Buch „Mental stark am Berg“*. Wenn du noch mehr Fragen zu dem Thema hast, kannst du mir gerne schreiben. Bis dann,

Jonathan

*Affiliate Link

 

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